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🇪🇸🇵🇹 Weg hier! Tage 76-78

Autorenbild: Charlotte TinaCharlotte Tina

Freitag, 16.9., Tag 76

Um 9:00 bei der Werkstatt, um 10:30 war das Öl gewechselt und alle Filter, Bremsen und Chassis geprüft, alles gut. 115€.

Dann bin ich quasi in die falsche Richtung gefahren, weil ich das Guggenheim Museum in Bilbao besuchen wollte. 100Km, 18€ Eintritt, eine Enttäuschung. Eine Etage war gesperrt, leider die mit der Dauerausstellung, die mein Ziel war, auf den beiden anderen war seltsames Zeug und eine Auto-Ausstellung.

Nette Wagen, aber nicht mein Thema. Das gelbe Teilchen hätte ich aber schon mitgenommen.

Das Gebäude von Frank Owen Gehry ist nicht so spektakulär, wie ich erwartet hatte. Die Blumenskulptur von Jeff Koons gefiel mir. Ah, die Treppen draußen sind sehr schön!

100Km also retour und weitere 300 in Richtung Westen ich bin einfach so lange gefahren, bis ich richtig müde war. Eine Pause machte ich bei einem der obligatorischen Supermarktbummel in einem gigantischen Eroski mit Unmengen ganzer Schinken am Knochen jeder Preisklasse. Und Dingen, die es bei unserem Edeka nicht unbedingt an der Fleischtheke gibt.

Bei der Unterkunftssuche habe ich gedacht, ein Agriturismo wäre nett, das spanische B&B. Für 50€ en suite und mit Katzen.

Zum Essen war es wieder zu früh, alle öffnen erst um 20:30, also bin ich zu einem Dorfladen gefahren, habe Spezereien besorgt und genieße die bei einem Buch im Bett. Ich meide normalerweise Schweinefleisch, aber bei iberischen Produkten muss ich hier Ausnahmen machen. Man schmeckt fast selbst die Eicheln, die sie futtern. Der geräucherte Käse ist sehr mild und buttrig. Ich bevorzuge würzige Sorten, aber der ist doch angenehm durch die dezente Räuchernote.

Ich habe Läden gesehen, die ausschließlich Schinken verkaufen, das ist hier ein ziemlicher Kult.

Die Landschaft ist immer wieder sehr schön, aber an der Küste führt nur die Autobahn entlang, doof, und es gibt viel hässliche Industrie. Alles ist sehr trocken, die Blätter hängen komatös und rascheln hohl, die großen Flüsse liegen als begehbare Flussbetten mit einigen Pfützen da, die Farne am Straßenrand sind hellbraun, die Flächen deckenden Immergrünen teilweise von dunklerem Braun.


Ich bin ziemlich erstaunt, dass so gut wie kein Mensch eine andere Sprache spricht als Spanisch. Ein paar Bröckchen Englisch. Sehr, sehr kleine Bröckchen. Ich habe kein Problem mit der Hand- und Fuß-Verständigung, aber so geringe Fremdsprachenkenntnisse finde ich schon bemerkenswert.


Während der Fahrt gingen mir Ahab, Ishmael und der Wal nicht aus dem Kopf. Danke, Pavel, da hast Du einen noch langwierigeren inneren Diskurs angestoßen zu den möglichen Bedeutungsebenen der Parabel, als ich ihn schon hatte 😉🙄


Samstag, 17.8., Tag 77

Weiter nach Westen. Die Unfreundlichkeit ist oft schon brüskierend und meine anfängliche Annahme, da habe jemand wohl einen schlechten Tag, weicht mehr und mehr dem unangenehmen Gefühl, dass das kein Zufall ist. Ich weiß, dass die "Ureinwohner" in und um Barcelona von verachtender Unfreundlichkeit sind gegen alle Ausländer, aber hier im Norden auch?!?

Es waren exakt vier Frauen und ein Mann nett, im Supermarkt wurde mein Lächeln mit erstarrter Miene nie erwidert, bei zwei Telefonanrufen wurde ohne ein weiteres Wort aufgelegt. Mannomann.

Ich will schnell nach Portugal in der Hoffnung, dass es dort anders ist.


In den Ortschaften tauchen immer wieder Warnschilder auf, die auf ein Mädchen und einen Mann oder Jungen mit Aktentaschen, rennend bzw. flüchtend, aufmerksam machen.

An der Straße hielt ich spontan an einem völlig unattraktiven Restaurant und bestellte ohne große Erwartungen einen Ensalada Mar y Tierre. Wow, so lecker! Reichlich frisch gebratene Scampi und dicke, zarte Tintenfischtentakel, Salat, Tomaten, Zwiebel und Walnüsse, die ich in dem Zusammenspiel nicht erwartet hätte, aber durchaus passend. Mit Brot, Öl und Balsamico. Hervorragend und viel, für 7,50€.


Für 40€ habe ich ein zwar nüchternes Zimmer, aber sauber, mit Bad und angeschlossen an ein Restaurant mit wunderschöner Terrasse und angeblich sehr guter Küche (hier beginne ich, so etwas zu glauben). Das Ensemble liegt direkt am Rand einer Bucht. Nach dem üppigen Salat passt aber wohl nix mehr rein. Mal schauen, ob die Neugier nicht doch siegt....

Nun genieße ich das Setting erstmal mit Fanta und Buch und Blick auf die Bucht bei Ebbe. Das Leben könnte schlimmer sein 🤷‍♀️Nee, im Ernst, ich bin dankbar, dass ich das machen kann, was ich mache und dafür, wie gut es mir geht.

Dann bin ich bei ansteigender Flut ins Wasser, große Fischen schwammen ufernah (~30-40cm). Im Anschluss schlenderte ich durch den Ort.

Diese Steinhäuser auf Stelzen heißen Hórreo. Sie sind typisch für Galizien, sie stehen in fast jedem Garten, manchmal auch mehrere und dienten einst (ich weiß nicht, wann einst war) als Getreidespeicher. Sie sind fast alle aus Stein, manchmal mit Wänden aus Holz. Durch die Lüftungsschlitze konnte das Getreide trocken gelagert werden und sicher durch die Höhe. Auf den meisten Dächern der Hórreos sind Kreuze, selten auch religiöse Figuren platziert, um für gute Ernten und Schutz zu bitten.


Beim Thema Preisniveau muss ich mal widersprechen. Bislang finde ich hier alles günstiger als irgendwo sonst auf der Reise: Übernachten, Essen, Diesel usw.

Dieses sehr gute Glas Wein kostet im Restaurant 2,20€. Und mir wurde vorab ein großzügiger Schluck zum Testen angeboten.

Im Internet fand ich ein Foto dieser Entenmuscheln, hier im Restaurant serviert vor fünf Jahren.

Sie sehen sehr speziell aus, sind sie auch. Eine sehr seltene Delikatesse. Sie wachsen nur an Steilküsten an wasserumtosten Stellen, was die Ernte lebensgefährlich macht.

Leider werden sie hier nicht mehr angeboten, ich hätte sie zu gern probiert, die stehen seit Jahren auf meiner Food Bucket List. Fun Fact: es sind Krebstiere.


Kurz und gut, ich konnte nicht widerstehen und habe eine kleine Portion vulgärer Muscheln a la marinara bestellt, sehr gut in einer sämigen Zwiebelsauce. Dann interessierte mich der Flan aus weißer Schokolade, war leider aus, stattdessen kam eine doppelte Portion; eine Art Crème Brulée und ein Caramel Flan, beide gut.


Sonntag, Tag 78

Ich hab verschlafen. Ich wollte um 7:00 aufstehen, aber weil das Zimmer ebenerdig war, musste ich die Jalousie bei offenem Fenster runter lassen und so war es stockdunkel. Der Rest ist schnell erzählt. Um halb zehn schoss ich hoch, raus aus dem Zimmer, Kaffee mit Croissant (3€), Sachen raffen, los. In Spanien hielt mich die Polizei mit großem Trara (Lichtorgel, aufheulende Sirene, Rauswinken mit großer Geste, gewichtiges Aussteigen mit beidseitigem Hochziehen der Hose am Gürtel, Zurechtrücken des Ray Ban Sonnenbrillen-Imitats) an, ich hatte versehentlich eine durchgezogene Linie überfahren als ich von einer Tankstelle fuhr. War kein Mensch im geringsten involviert und/oder gefährdet, aber egal. Da ich in Barcelona schon mal mit einem Polizisten aneinander geraten bin, wusste ich, reumütig sein, entschuldigen, reden lassen. An der Stelle an der er davon sprach, dass er mir 100€ abnehmen könnte, besonders reumütig. Und das alles in einem Mix aus Französisch und Englisch, immerhin. Mit erneut großem Trara hielt er für mich den Verkehr auf und meinte noch "fais attention!".

Ich fuhr nah an Santiago de Compostela vorbei und sah viele Pilger bzw. Wanderer.


Die Grenze überquerte ich, ohne es zu merken. Ich fuhr durch Gegenden, in denen es gebrannt hatte, gespenstisch die schwarz verkohlten Gerippe der Bäume.


Ich hielt an einem Café und die Leute waren unglaublich freundlich, das kam mir schon spanisch vor. Dann fragte ich, ob jemand englisch spräche um mir zu erklären, was das für lecker aussehende gelbe Kringel seien. Einer sprach Englisch (seltsame Sache Nr. 2), der andere machte lächelnd (3) eine Geste und sagte irgendwas worin parla und portugues drin vorkamen.

Ob ich schon in Portugal sei, meine Frage. Lachen (4), ja, da hätte ich wohl das Schild übersehen. So ging es weiter.

Zwei Kringel, eine pastel de nata , ein Milchkaffee 3,30€. Was für ein besonders netter Einstieg in ein für mich neues Land.

Ich habe ein Hotel gebucht (78€) in der Hoffnung, dass der Pool so groß ist, wie er auf den Fotos wirkte.

Die Damen an der Rezeption: ausgesucht freundlich und nett, gutes Englisch. Ihr seht, drei Tage Spanien haben mich etwas traumatisiert. Am Pool: zwei Leute haben mich angesprochen. Ehrlich, Spanien braucht kein Mensch, auch, wenn sie zu kochen und zu essen wissen.

Der Pool ist groß, locker 20m, in L-Form. Ich bin geschwommen, bis mir Kiemen gewachsen sind, beim Schreiben sprotze ich immer noch etwas Wasser aus.

Dann raus ans Meer, enorm kraftvolle Wellen, starker Sog, pittoreske Felsen, wenige Menschen, kleinste feine Kieselchen, toll.

Bei dieser Gelegenheit habe ich das erste Mal meine wasserdichte Bauchtasche ausgetestet, hält völlig trocken.

Problem: man geht allein mit Handy und vielleicht Zimmerkarte an den Strand. Wohin damit, wenn man ins Wasser geht? Genau. Das war in Barcelona besonders stressig, weil es da so viele Diebe geben soll wie kaum irgendwo sonst. Problem gelöst für 8€, kann ich empfehlen. Stört auch nicht beim Schwimmen.


Und zum Schluss des Tages probierte ich das Hotelrestaurant aus:

Ööööhm, nee. Luft nach oben. Aber ich bekam wieder einen Tisch direkt am Fenster.

Trotzdem bleibe ich noch eine Nacht. Mal nicht gleich wieder einpacken, einfach rumlungern, schwimmen, lesen; und ankommen in Portugal und überlegen, was ich hier eigentlich mitnehmen möchte an Erfahrungen und Eindrücken.

Mich haben ungelogen fünf Leute angesprochen im Restaurant, wie gut ich schwimmen würde. Ha ha, nach so langer Pause, aber nett.

Jetzt sitze ich am Strand und starre auf das Meer mit einem Glas portugiesischen Weißweins neben mir. Es starrt zurück, die Sonne ist fast weg, die Möwen haben ihren letzten müden Schrei getan und schlafen, wo auch immer Möwen schlafen.


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