Tag 61
Ich vermisste den ganzen Tag Moneygold, Karin, Joe, Silvan, die Miezekatzen und Hunde und Pferde und alle vom Stall. Seufz.
Ich muss in einen Reiserhythmus zurück finden.
Mir lief ein leer stehendes Haus über den Weg, das ein ideales B&B abgeben würde.
Der WAW führte mich unter anderem nach Roslee Castle: ein versteckter Durchgang führt zu der Treppe nach oben, der Zugang ist vielleicht 1m hoch. Die Treppe ist lediglich 70-80cm breit (Schätzung nach dem durchschnittlichen bundesdeutschen Hintern von 60cm und meiner schlanken Statur). Diese Treppen sind unregelmäßig hoch, sehr steil, teilweise völlig im Dunkeln, es gibt keinerlei Absicherung. Lustig, ein mini Abenteuer.
Mehrere Aussichtspunkte des Wild Atlantic Way habe ich abgefahren, schöne Schluchten waren dabei und gerade im County Mayo ist es sehr friedlich an der Küste. Zu Mittag gab es eine super leckere Mini-Quiche mit Ziegenkäse und getrockneten Tomaten, dazu eingelegte rote Zwiebeln. Mjam! Das ganze auf einer Düne am Strand.
Pittoreske Orte mit hübschen Läden säumten die Straßen.
Mit Balu habe ich mich schließlich an einen wundervollen Strand gestellt und bin gleich baden gegangen. Feiner fester Sand, eine Qualle, keine Algen. Ein Traum.
Ein kleiner Spaziergang führte zu einem sehr kleinen Hafen, wo ich einen Schwatz mit einem Fischer hielt.
Nichts Frisches zu essen dabei, dann mal Vorräte durchsehen. Die eingelegten englischen Eier sind absolut widerlich, also gab es aus dem Fundus Jordan’s Müsli mit Hafermilch, auch lecker.
Es war super, mal wieder fest und so kuschelig zu schlafen, neben dem Auto grasten Schafe während die Brandung mich in den Schlaf wiegte.
Die blauen Flecken an Bein und Bauch vom Tritt letzte Woche sehen schon besser aus.
Die richtige Antwort auf „Isn‘t it lovely?“ ist übrigens immer „Oh, yes, it is!“ oder „Oh, yes, it is amazing!“. Wahlweise können lovely und amazing natürlich ausgetauscht werden, aber solange es nicht zu einem noch interessanteren Gespräch über Wetter und Landschaft kommt, hat man sich hervorragend geschlagen und fällt nicht die Bohne auf.
Auch wenn man den grässlichsten deutschen Akzent hat, der höfliche Ire fragt zunächst, ob man ein Local ist. Das verneint man selbstverständlich in größter, geschmeichelter Bescheidenheit, und dann kann ein Geplänkel über die Herkunftsorte beginnen und wie lovely oder amazing sie sind. Im Grunde recht überschaubar; ein Smalltalk-Ballett in einfachster Choreografie.
Tag 62
Der Freitag begann mit Regen. Viel Regen, den ganzen Tag. Ich kam mir vor wie der LKW-Fahrer in Per Anhalter durch die Galaxis (versteckte Empfehlung….).
In einem Supermarkt lieferte ein örtlicher Bäcker gerade Brot an und ich parkierte (meine neuen Schweizerischkenntnisse mal anwenden) sofort, erstand einen noch warmen, duftenden Laib Soda-Brot, irische Butter, Tomaten und Cheddar. Den Himmel mal wieder recht nah.
Ich fuhr den WAW entlang, meine Sandalen und Hosen waren bald klatschnass vom Aussteigen, die Straße gurgelte regelrecht unter den Wassermassen, der Rest ebenfalls. Ich googelte zur Abwechslung Austern, bekam einen Treffer nicht weit weg und fuhr ohne große Erwartungen hin. Eine sehr schmale Straße endete an einem Haus, an dem nichts darauf hinwies, dass ich richtig sein könnte. Dann kam ein Traktor angefahren, hielt neben mir und ein unglaublich freundlicher Mann fragte nach meinem Begehr. Das war Patrick, der gerade vom Sammeln kam und in seinen Körben die 10min zuvor gesuchten Austern hatte. Er fragte, ob ich probieren wolle, was ich begeistert bejahte, bat mich um die Ecke und begann, Austern zu öffnen. Im strömenden Regen auf einem nicht unbedingt klinisch sauberen Tisch voller Austern und-Schalen am Rande des Gewässers, an dem gerade Ebbe herrschte. Er ließ mich alle Größen seiner Felsenaustern probieren, die großen fand ich am leckersten, er die kleinsten. Er isst jeden Tag ein halbes Dutzend. Er öffnete sie, löste sie in der Schale und hielt sie mir hin. Die großen waren schon sehr groß. Ich nahm sie direkt mit den Fingern aus der Schale. Er wollte kein Geld, obwohl ich sicherlich 6-7 gegessen hatte und packte mir dann noch zehn Stück für später in einen Korb. Es ging hin und her, schließlich nahm er 5€ und das ist ja eher ein Witz, ich nahm nur fünf mit, mehr schaffe ich nicht mehr heute.
Ich wusch mal wieder in einer Launderette, fuhr wunderschöne Straßen entlang und kam schließlich nach Connemarra. An einem Fluss mit kleinem Wasserfall sah ich einen Lachs springen. Ein Spätzünder?
Zwischendrin hat das Auto mal wieder Alarm geschlagen, ABS kaputt, ESP defekt, Reifendruckabfall. Fehlersuche, nix. Um den Wagen gekrochen, gelauscht, gedrückt, nix. Neu gestartet, alles gut, nerv…..
Schlagartig änderte sich die Landschaft, es wurde wilder. Ich fuhr durch einen Fjord. Wusste gar nicht, dass es hier welche gibt. Fjordchen.
Ich fand kein ansprechendes B&B, waren auch alle sehr teuer. Zum vergleichbaren Preis wählte ich schließlich lieber ein Hotel (110€ mit Frühstück), ich wollte nur noch warm duschen.
Das Hotel ist schön gemütlich und eher gediegen.
Mein Austernmesser habe ich in Berlin vergessen und es gab nirgends eines zu kaufen. Also bat ich an der Rezeption darum, meine Austern in einem Kühlschrank zu deponieren. Die Iren, kaum zu schlagen in ihrer Freundlichkeit, boten mir an, sie mir zu öffnen und zum Abend zu servieren. Wow.
Zunächst ging ich in den Pool. Wenngleich er nur etwa 15m misst, genoss ich es sehr, mal wieder 20min zu schwimmen. Draußen. Allerdings beheizt, man kann nicht immer nur Glück haben.
Dann ging ich auf die Suche nach meinen Austern. In der Bar nahm ich einen Martini auf Eis, ganz old fashioned, dazu kamen meine Schätze mit einer erstaunlich leckeren und passenden Limetten-Koriander-Sauce. Begleitend, ebenfalls sehr positiv, dunkles, süßliches Brot mit Butter, eine sehr gute Ergänzung.
Als Hauptgericht wurde eine Lanmschulter aus Connemara in einer Rotweinreduktion
mit KaPü und Gemüse (18,50€) serviert. Das Fleisch war butterzart und zerfiel unter der Gabel, köstlich. Die Beilagen waren zu vernachlässigen, die Sauce sehr nett.
Der Kellner war aus Argentinien und verstand sofort, weshalb ich das überall übliche Leitungswasser nicht wollte-es ist (leicht) gechlort. Widerlich. Ich habe noch meinen ersten schwarzen Tee in Zimbabwe vor 33 Jahren im Geschmacksgedächtnis, der mit stark gechlortem Leitungswasser zubereitet worden war. Brrrrrr. Seltsamerweise merke ich mir so etwas, vergesse aber fast alles andere in Windeseile.
Ein Espresso hinterher und ich bin ausgesöhnt mit dem Tag.
Das Anrichten der Austern wurde nicht berechnet, erstaunlich und sehr sehr nett.
Die Frühstückskarte war ausgesprochen umfangreich. Ich hätte Lammleber essen können oder Fisch, entschied mich aber für pochierte Eier Benedikt, sehr lecker.
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