Donnerstag, 4. Mai
Ich habe mich entschieden, noch drei Nächte zu bleiben bis Sonntag. Es ist günstig, das Essen ist gut, die Gastgeber nett und beide an Gesprächen interessiert, die Atmosphäre ist familiär, also lernen wir voneinander, die Gegend bietet viel Interessantes. Sehr vieles hier ist Teil des Weltkulturerbes.
Heute bin ich zum Oyunohara gefahren, einem Schrein, der ebenfalls dazu gehört. Es ist ein Tor, 34m hoch, 42m breit und es repräsentiert die Teilung der säkularen und der spirituellen Welt. Es ist das größte seiner Art in Japan.
Beeindruckend. Ein riesiges Tor. Es sieht tatsächlich aus wie das Tor zu einer anderen Welt. Schöne Umgebung. Im World Heritage Museum hingen die Aquarelle eines Franzosen, die ich wunderschön finde.
Ich hatte den ganzen Tag entsetzlich schlimme Rückenschmerzen, konnte nur gebeugt gehen, sitzen, liegen, alles war schlimm und ich kämpfte ständig mit den Tränen. Zwei 100er Diclo halfen kaum. Was habe ich nur falsch gemacht (abgesehen vom Auto)? Ich habe den Massagesessel hier in Verdacht.
Dann fuhr ich zum Nachi Wasserfall, der mit 133m höchste frei fallende in Japan. Der Stau begann einen Kilometer davor. Ich hab ihn aus dem Auto gesehen, den Fall, Parkplatz hätte wahrscheinlich noch mal ne halbe Stunde gebraucht und ich hatte schon keine Lust mehr. Schade, die Pagode davor sieht auf Fotos schön aus.
Ich lese mittlerweile richtig gern die Rezensionen der Japaner zu Attraktionen auf Google Maps. Das ist stellenweise köstlich. Zum einen natürlich drücken sie sich anders aus, zum anderen gibt es viele offensichtliche Fälle von "lost in translation". Und der Fokus ist ein ganz anderer als bei uns.
Das, wovon ich dachte "Iiiih, Augen mit Schwanz!" sind übrigens Augen mit Schwanz.
Ich habe gefragt. Kleine Fische, die zum Würzen benutzt werden.
Hier nur ein kleiner Eindruck aus einem großen Supermarkt allein des Fast Foods wegen und ein klein bisschen vom Fisch; das war so viel, dafür reicht der Speicherplatz nicht.
Als ich zurück war, habe ich sehr nett mit meiner Gastgeberin geplaudert, bevor ich zum Fluss bin, mich fast verbrüht hätte (das Wasser kommt durch die Steine nach oben und ist wirklich sehr heiß) und im Fluss wieder abkühlte. Da ich die einzige "Weiße" weit und breit bin, starren die Kinder mich meistens an wie ein Gespenst 😁
Am Fluss war ich auch die einzige Person in Badekleidung. Die Erwachsenen ziehen sich nicht aus, außer für den Onsen, die meisten Kinder sind von Hals bis Fuß eingepackt. Es gab auch Erwachsene, die eine Rettungsweste trugen. Der Fluss war vielleicht 50-60cm tief. Mir scheint, viele Japaner sind recht vorsichtig mit dem Leben.
In Japan ist gerade die Zeit, den Reis zu pflanzen. Das wird auf vielen Flächen auch von Privatleuten gemacht.
Und schließlich war es 19:00 und somit Zeit zum Abendessen....
Es gab Bonito als dick geschnittenes Sashimi mit frischer Knoblauchpaste, Salat in Reispapier gerollt, marinierte Okra und Aubergine, gebratenen Thunfisch mit fein geriebenem Rettich, einen großen Shiitake-Pilz, gefüllt mit Rôtisseur-Senf, Crème fraîche und mit Käse überbacken (schrill), und schließlich etwas, das sie "eine Art Sukiyaki" nannte. Eine ziemlich süße (zu, für meinen Geschmack) Brühe, wieder mit verschiedenen frischen Pilzen, Kohl und Salat, dazu frische Makrele. Das war nicht meins. Die Makrele aber habe ich rausgefischt, die war köstlich. Dazu habe ich mal ein lokales Bier probiert, war recht lecker.
Für eine Nacht kamen Australier an und ein Paar Franzosen logiert hier ebenfalls. Alle finden, dass es (zu) viel Industrie und besiedelte Flächen sind und dass diese "Goldene Woche" ziemlich viel lahm legt. Was für ein Pech! Ich wäre so gern nach Nagasaki gekommen. Das Auto war ein Fehler, andererseits könnte ich mit meinem Rücken gerade keinen Bus oder Zug nutzen, ich bekäme das Gepäck nicht rein und raus. Also war es doch kein Fehler🙈🤣
Am Freitag
hatte ich erneut solche Schmerzen, dass ich nicht mehr richtig atmen konnte, erstmals strahlte der Schmerz auch in die Arme und Beine, das macht mir Angst.
Meine Gastgeber sind so unglaublich nett, sie waren rührend besorgt.
Trotzdem wollte ich mich nicht ergeben, habe mir ein Handtuch in den unteren Rücken gelegt im Auto und bin los.
Bei einem Halt an einem Getränkeautomaten machte ich eine sehr unschöne Erfahrung. Ein Japaner hielt hinter mir, kam an mein Fenster und sagte lächelnd etwas. Ich verstand natürlich nicht, bis er das Wort fuck immer wieder verwendete und money und klar wurde, dass das alles andere als freundlich war. Ich verriegelte die Türen und ließ das Fenster hoch und er machte noch etwas weiter. Ausländerfeindlichkeit ist mir schon mehrfach begegnet, bislang allerdings immer sehr subtil. Das war richtig heftig und unangenehm und natürlich sehr sexistisch und extrem frauenfeindlich.
Besonders bedrohlich war es, weil er deutlich zu nah kam, dabei lächelte und ich trotzdem ein ganz unangenehmes Gefühl hatte, aber höflich sein wollte. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das aus seinem Kauderwelsch raus hörte.
Meine Gastmutter wollte die Polizei verständigen, aber was hilft das?
Ich fuhr zum südlichsten Eckchen von Honshū (der japanischen Hauptinsel) zu einem Leuchtturm. Etwas seltsam war das türkische Museum auf der Insel, der türkische Souvenirladen, das türkische Denkmal und das Café.
Dann die Küste weiter entlang. Die Felsen sind scharfkantig, dort, wo mal kein Beton ist und man ran kommt. Ich bog wieder in die Berge ab und gleich wurde es viel schöner.
Eigentlich wollte ich die Tage eine Wal-Fahrt machen und mit einem Boot in einer der wunderbaren Schluchten hier fahren. Sehr mühsam alles. Die Webseiten nur auf Japanisch. Habe ich mir übersetzt, dann eine online Buchung gemacht. Ich bekam eine Mail, dass das Büro in der Goldenen Woche geschlossen ist, dass mindestens zehn Tage im Voraus gebucht werden muss und dass alles ausgebucht ist.
Na ja, ich gebe ja nicht sooo leicht auf, wenn ich was will.
Einige Mails später hatte ich einen Termin für eine Schlucht-Bootsfahrt morgen um 10:00. Geht doch.
Als ich zurück war, musste ich diesen ekelhaften Kerl loswerden und ging zum Fluss runter. Erst ein Bad im Fluss, dann im Onsen am Flussufer, dann wieder im Fluss. Hilft! Das Wasser im Onsen riecht nach Schwefel😝
Dann stellte sich heraus, dass der männliche Teil des französischen Paares hier in der Unterkunft der Künstler ist, dessen Ausstellung ich bewundert habe, Patrick Jager.
Die Bilder sind käuflich zu erwerben und mir gefällt vor allem die dreibeinige Krähe, die das Gebiet der Pilgerwege um mich herum symbolisiert, den Kumano Kodō.
Sie ist so lebendig und kraftvoll, die zum Aufbruch gespreizten Flügel und die fast kreisrunde Form gefallen mir, ebenso wie die Schlichtheit, die Farbgebung und der Bezug zu dieser Region. Hmmmmm.
Und nach einer kurzen Pause... richtig! Zeit zum Essen 😋
Sehr gut wieder. Das Sashimi heute vom Thunfisch und, ich nehme an, der Makrele. Nee, Makrele ist dunkler. Also keine Ahnung, war lecker. Fisch.
Köstlich waren die grünen Enden von Frühlingszwiebeln mit Sesamöl. Dann wieder ein kleines bisschen mariniertes Gemüse.
Paniertes Hähnchen mit dem allerbesten Eiersalat, der Kracher!
Im Topf heute eine süßliche (aber nicht zu süße) Basis mit Rindfleisch, dicken Glasnudeln, Tofu und Frühlingszwiebel. Sehr aromatisch.
Dazu wieder ein lokales Bier und grüner Tee.
Und zum Nachtisch habe ich das Bild der Krähe vom Künstler am Nachbartisch gekauft 😁 Was für ein schönes Andenken! Er wird es nach Deutschland schicken, sobald die Ausstellung vorbei ist und die Bilder wieder bei ihm in Frankreich sind. Ich freue mich.
Gegenüber saßen heute vier Frauen in meinem Alter aus Tokio, die fünf Tage zusammen gewandert sind und die sehr neugierig waren und nett, das war eine schöne Unterhaltung und auch mit Kekeji, dem Gastgeber und Koch habe ich länger geplaudert. Insgesamt eine gute Stunde, mein neuer Rekord in Japan an Kommunikation.
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