🇮🇸 Seyðisfjörður-> Egilsstaðir->Lindarbrekka
- Charlotte Tina
- 13. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Freitag, 11. Oktober 2024
Eisig pfeifender Wind verwirbelte den Schnee im Fjord und rüttelte an den Fenstern.
Von drinnen sah das schön aus und verstärkte die wohlige Atmosphäre, aber die Aussicht auf die Rückfahrt über den Pass bereitete uns gelindes Unbehagen.
Ich hatte einen Chat mit dem technischen Support der Autovermietung. Nachdem ich ihm Fotos der Reifen geschickt hatte meinte er, das seien Winterreifen. Na, immerhin.
Wir machten uns auf den Weg und kamen 3,4Km weit, bis die Räder auf der steilen Straße auf dem Eis durchdrehten und wir schließlich halb quer auf der Fahrbahn standen.
Alle Manövrierversuche halfen nicht. Ich ließ den Wagen schließlich rückwärts rollen, den Fuß auf der Bremse, bis zum letzten Parkplatz. Dieser war sehr leicht abschüssig. Trotz der geringen Geschwindigkeit und der Bremsung rutschte das Auto weiter. Das war, mal ehrlich, richtig scheiße. Da ging es, wie an so vielen Stellen hier, ein paar Meter nach unten, ohne Leitplanke oder Zaun oder andere Vorsichtsmaßnahmen für verweichlichte Kontinentaleuropäer.
Ich hatte wirklich Angst.
Er kam dann doch zum stehen, der Support der Autovermietung meinte lapidar, dann müssten wir halt auf besseres Wetter warten. Äh, nein. Das wäre dann wohl im nächsten Frühjahr.
Ich bin noch nie mit so bezeichneten Winterreifen gefahren, die derart untauglich waren.
Ich sehe durchaus meine Grenzen, hier war eine erreicht. Mit diesem Auto bei solchen Verhältnissen, das war zumindest für mich nicht wirklich machbar. Birgit hatte auch Angst, wollte es aber probieren. Wir haben für die 22Km fast drei Stunden gebraucht, das war nicht lustig.
Zur Belohnung gab es heissen Kakao mit Sahne, dann beratschlagten wir, wie es weitergehen sollte.
Wir hätten zur nächsten Unterkunft in Myvatn 180Km vor uns gehabt, davon 160Km unter den gleichen Bedingungen.
Der Wetterbericht sagte für unsere geplante Route in den Norden und zu den Westfjorden weiter fallende Temperaturen bis -8/-10° an, Schnee, Regen, reichlich Wind.
Die Straßenverhältnisse also analog zu denen, die wir gerade hatten, bei sich verschlechternden Bedingungen.
Das wäre nur noch Stress gewesen und gefährlich. Wir nahmen also beide den Verlust für die Unterkünfte in Kauf und beschlossen, eine Nacht vor Ort in Egilsstaðir zu verbringen und dann wieder in den Süden zurück zu fahren, wo alles tutti ist.
Na ja, bis auf den aktuellen erneuten Vulkanausbruch und das Erdbeben bei Grindavik.
Aber: first things first. Darum machen wir uns Gedanken, wenn es akut ist.
Ich schrieb die Unterkünfte mit der Bitte um Entgegenkommen und Verständnis an und netterweise taten sie das auch fast alle und boten uns 50% statt der fälligen 100% an.
Wir quartierten uns in einem netten Guesthouse am See ein und ließen den lieben Gott einen guten Mann sein.
Ungefähr 10min lang. Dann beschlossen wir, zum Freibad zu fahren, in dem wir gestern schon waren.
Wir wurden gleich erkannt und ermäßigt eingelassen.
Ick saje nur: es war herrlich!
Der Ort erschien uns erstaunlich unbelebt, wir googelten die Attraktionen. Das hier, ungelogen, war neben einem kleinen Ostisland-Museum das Suchergebnis:
Wer es nicht sofort erkannt hat: es ist eine Rentier-Skulptur. Aus einem Einkaufswagen. Die wir auf einem Parkplatz hinter einer Baustelle fanden.
Abendessen: Kartoffeln, Quark, Leinöl, Salat.
Samstag, 12. Oktober 2024
Frühstück für Champions:
Ich hatte eine wenig erbauliche Auseinandersetzung über WhatsApp mit der Autovermietung. Alle anderen Touris mit denen wir in diesem Quartier waren, hatten Spikes.
Die, die wir trafen und die nur Winterreifen aber Vierradantrieb hatten, klagten auch über problematisches Fahren.
Ich habe für mein Fahrrad einen Reifen mit Spikes für den Winter in Berlin, aber bekomme keine bei vereisten Passstraßen auf Island??? Okaaay…
Dann ging es noch mal auf eine blaue Straße, also eine, die in der isländischen Safe Travel-App mit der Beschreibung slippery/spots of ice gekennzeichnet war und entsprechenden Spaß verhiess. Ging aber gut und war nicht ansatzweise vergleichbar mit der Nummer des Vortages.
Hier gibt es ja bekanntlich Elfen und Trolle, zumindest ist es so, dass 60% der Isländer das wirklich glauben und häufig sehen wir die kleinen Häuschen für die Elfen neben Wohnhäusern, Gehöften oder auch mal in der Landschaft stehen.

Nachdem wir glücklich zurück an der Südküste waren und die Sonne plötzlich wieder schien , folgten wir der „1“ in Richtung Westen, sahen einige gefrorene Wasserfälle,
besuchten in Fáskrúðsfjörður ein unerwartet nettes Museum (das Quartier der Fischer an Bord war im Keller nachgebaut und klanglich untermalt mit einer Aufnahme an die Bordwand schlagender Wellen) im Hotel des Ortes, in dem bretonische Fischer von 1850-1950 ihr Auskommen suchten (Mitte des 19. Jahrhunderts muss Ísland das Klondike des Kabeljaufangs gewesen sein) und Akkord unter extremsten Bedingungen arbeiteten,
einen Laden ebendort in dem kratzige Wollprodukte und schmerzhaft kitschige Trollfiguren (Dinge, die sich als Mitbringsel für problematische Verwandte offenbar größter Beliebtheit erfreuen) in einem schön restaurierten alten Haus angeboten wurden,
waren in einem Kramladen/Café mit einem üppigen Sortiment getrockneter Fischprodukte (eine Spezialität und als Knabberei sehr beliebt) und einer für eine sichtlich ausgeprägte Vorliebe für Lakritz sprechenden großen Auswahl der schwarzen Scheußlichkeit
und buchten ein kleines Apartment im letzten Ostfjord.
Den Kometen Atlas sahen wir nicht am Osthorizont, so wenig wie Nordlichter oder Rentiere; aber einen riesigen, ausgesprochen hübschen orangenen Mond.
Zum Abendessen gab es Bibimbap (ein empfehlenswert köstliches koreanisches Gericht) und eine Partie Scrabble.
Ich bin sehr froh, dass ihr umgekehrt seid. Den Kometen habe ich von Berlin aus sehr gut sehen können 😂. Lese mit großem Interesse/Vergnügen deinen Blog, Tina. LG vf
Hallo, ihr 2! Da fiebert man ja richtig aus Berlin mit. Während man der Autofirma eins vor den Bug geben möchte, scheint man ansonsten sehr nett zu euch zu sein. Und ihr macht es euch auch nett. Sehr gut. Danke für die unterhaltsamen Zeilen und weiterhin eine gute Zeit. Liebe Grüße, Ariane
Es macht solchen spaß hier wunderbar geschrieben 🤗und mal wieder traumhafte Bilder 😍und die Rentier Skulptur… 😅… Liebe Grüße Dagmar 😘
Hi Tina, was für ein schönes Reisetagebuch, das Du mir da schenkst. Musste 3x lachen (mindestens). Auf in einen neuen Tag... HG Birgit