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🇺🇸 Grauwale in Oregon, Tage 79-81

Autorenbild: Charlotte TinaCharlotte Tina

Der Donnerstag, 25. Mai, begann trüb und wurde dann strahlend schön. Bei Sonnenschein, 17 Grad und wenig Wind ging es auf See. Im Hafen aber waren erst einmal Robbenbabies zu bewundern.

Ich wurde ein bisschen seekrank, mir war zumindest sehr übel. Die Wellen waren schon beachtlich in unserer Gummi-Nussschale.

Kaum waren wir aus dem Hafen raus, war der erste Grauwal zu sehen. Man hält Ausschau nach den Fontänen. So schöne Tiere. Wir sahen auch zwei, die nebeneinander schwammen, was selten sein soll. Ich werde langsam walsüchtig. Das war ein sehr schönes Erlebnis. Der Skipper Gary war etwas schräg. Aber nett. Er guckte immer ziemlich gehetzt um sich.

Wale haben übrigens allerübelsten Maulgestank. Man riecht sie auf dem Meer selbst bei Wind.

Was natürlich nicht schön ist, ist, dass die Tiere so verfolgt werden. Zwei kleine und ein etwas größeres Boot änderten beständig den Kurs dorthin, wo sie auftauchten. Unser Skipper hat zumindest immer bei der Annäherung den Motor in den Leerlauf geschaltet und hielt Abstand. Trotzdem erinnert das an eine Jagd. Was für ein Stress fast den ganzen Tag.

Im letzten Video immerhin eine halbe Schwanzflosse😉

Nach dem klug von Julia bereit gehaltenen und notwendigen Pfefferminztee lief ich zur Straße. Der Ort besteht im wesentlichen aus dem Highway 101. Dort bummelte ich, fotografierte diesen absurden Truck und kam darauf mit zwei Männern ins Gespräch.

Der Truck diene der Kompensation männlicher Probleme, benötigen würde er so ein Auto nicht. Nett, Humor. Dann waren wir schnell bei der Armut, Krankenversicherung, der Inflation (vor zwei Jahren hätte alles die Hälfte gekostet) und der Obdachlosigkeit.

Der ältere vertraute auf Gott, der würde ihn holen, wenn es soweit sei, er brauche keine Krankenversicherung. Der jüngere war auch pensioniert (hat bei der Polizei gearbeitet, wo man mit 50 in Pension gehen kann), er fuhr auch das Monster. San Francisco und Obdachlosigkeit sei schlimm, sagte er verächtlich, aber die meisten dieser Menschen würden so leben wollen. Das wäre in den letzten Jahren extremer geworden.


Habe ich da etwas ganz falsch verstanden mit der möglichen Koinzidenz?


Vor zwei Jahren war alles halb so teuer.

Seit wenigen Jahren steigende Obdachlosigkeit.

Die Leute wollen so leben.

Aha.


Dann folgte die auf solch eine Aussage weiter zu erwartende Argumentation eines Menschen mit guter Rente und Versicherung der ausgesorgt hat und sich langweilt (mein Vorurteil 😎😉). Allerdings sagte er zwischendrin auch, dass es natürlich viele Menschen gebe, die ein schlimmes Schicksal hätten. Die Natur solcher Straßengespräche lässt nur einen Einblick zu und gerade, wenn eine Fremdsprache im Spiel ist, rüttelt das nochmal ordentlich das Sender Empfänger-Konzept durch. Aber wenn jemand sagt, die meisten Obdachlosen wollten so leben und sein Kumpel meint, man müsse ja nicht gleich die Ambulanz rufen, Gott würde das regeln........

Jeder wie er mag 🤷‍♀️ Zumindest interessant.


In einer Seitenstraße war ein Seafood-Restaurant und dort bestellte ich eine ganze Krabbe. Die wurde vor meinen Augen gewogen, 1,65ib machten $17. Zu meiner Überraschung wurde sie kalt serviert, trotzdem lecker. Dazu geschmolzene Butter. Die geriebene Muskatnuss darin irritierte mich. Ich fand nicht, dass es passt, hat aber auch nicht weh getan. Am Meer auf einer Bank kam eine Möwe immer näher, ein bisschen wie ein Hund der sich anschleicht, witzig.

Den restlichen Tag daddelte ich auf der Terrasse des Hotels und meinem Balkon rum, immer den Hafen im Blick und von der Nachmittagssonne geküsst. Ist das mal schön!


Freitag, 26. Mai

Begann mit einem wunderbaren Obstsalat mit zimtigem Müsli. Mein Organismus schlug Purzelbäume vor Freude.

Ich verbrachte eine Stunde mit der Grobplanung der restlichen Reise. Das Flixbus-Ticket nach Vancouver habe ich storniert. Nach Portland fahre ich nicht, die Unterkunftspreise sind absurd.

Es folgt eine Nacht in einem Motel, dann nach Seattle, Auto (früher) abgeben, zwei Nächte Downtown Seattle, neues Auto, mit dem ich nach Kanada fahre und das ich in NY City um die Ecke vom Hotel am 3. Juli abgebe (in NY Auto fahren....😬).

So habe ich mehr Zeit für die Durchquerung von Kanada, muss nicht zweimal Einwegmietenzuschlag zahlen und den Wagen wechseln und bin flexibler.

So, ein Plan, ha!


Ich ging auf mein Zimmer und da lag ein Vogelbaby tot auf meinem Balkon.

Ich holte Julia, sie kam mit Handschuhen und Kehrblech. Dann saß ich einen Moment und plötzlich plumpste noch ein Vogel auf meinen Balkon, der lebte aber noch. Erneut holte ich Julia. Sie versuchte, ihn zu greifen, aber er flüchtete laut schimpfend auf den anderen Balkon. Ihr Versuch war aber auch sehr zaghaft. Wir beide ins andere Zimmer, das leer stand. Da war noch ein Junges😂

Ebenfalls laut schimpfend. Es stellte sich heraus, dass Julia Angst vor Vögeln hat. Also nahm ich mir Handschuhe und ein Herz, fing einen und krabbelte auf meinem Balkon auf den Hochstuhl um ihn zurück ins Nest zu heben. Allein, er wollte nicht durch das Loch, da half auch kein Schieben und Stopfen, er hat sich buchstäblich mit seinen Krallen gegen das Holz gestemmt. Julia rief einen Freund an, der erstaunlich schnell mit dem Auto kam, er schnappte sich beide, sie kamen in einen Karton und er fuhr sie zur "bird lady"; was immer das genau bedeutet, aber gut. Und ich flüchtete, da Mama Vogel völlig durchdrehte, weil ihre gesamte Brut plötzlich weg war. Das war sehr traurig. Aber hey, zwei überleben!


Auf dem Weg hatte ich wieder einen netten Schwatz mit vielen weiteren Frauen am Gemeindehaus, die an den Sachen für ihren Gedenktag arbeiteten. Die kamen aus allen Teilen der USA, hier wird viel umgezogen im Land. Sie schätzen das Kleinstadtleben, weil alle füreinander da sind.


Essen... Es war wieder eine Clam Chowder dran. War ganz okay. Die besten hier bislang waren die in San Francisco und die fertige aus dem Supermarkt.

Und dann habe ich den Kamin angemacht in meinem Zimmer und den Nachmittag genossen. Draußen war es diesig und feucht, perfekt.


Am Samstag, 27. Mai, musste ich dann leider mal weiter, trank meinen Morgentee aber mit einem reizenden Frauen-Paar aus Portland (ursprünglich aus NY bzw. Florida), die auch sagten, dass vor zwei Jahren alles die Hälfte gekostet hätte. Sie haben Quittungen aufbewahrt, auch von Unterkünften.


Es standen 300Km an, ich fuhr gemächlich die Küste hoch, hielt kurz an einem riesigen Hangar (dem größten aus Holz gebauten auf der Welt), in dem ein Luftfahrtmuseum ist und ein BBQ-Restaurant mit bestem Ruf, da hatte ich etwas Brisket (das Fett kam natürlich in den Müll) und Coleslaw zum Frühstück.

Spätes Mittag-/Abendessen war dann wieder eine frische Dungeon Krabbe. Wie soll mein restliches Leben ohne Krabbe aussehen?🤔Das war die beste. Der Koch hat auf die Schale eine geröstete Gewürzmischung mit Chili gestreut und durch das Knacken hatte ich sie an den Fingern und dann am Fleisch. Super gut. Auf die Beilage grilled cheese sandwich habe ich verzichtet.

Noch in Oregon kam ich an einem Einkaufszentrum vorbei mit zwei Schuhläden. Auswahl und Qualität äußerst bescheiden, obwohl beide Shops groß waren. Weil ich Einkaufen nicht leiden kann und ich vermutlich eh nichts Besseres finde, habe ich ein Paar Abendschuhe erstanden. Die kann ich auch auf dem Schiff lassen nach der Woche...

Ich fuhr über die Astoria Brücke, die 6,55Km lang ist und damit die längste nordamerikanische Brücke; auf der anderen Seite war ich im Bundesland Washington und hatte den Columbia River überquert.

Je nördlicher ich komme, desto mehr Nadelbäume sehe ich, sehr hohe.


Langsam erschließt sich mir das Konzept der Unterkunft Motel. Das ist ein Ort, an dem man (hoffentlich) erschlagen spät ankommt, wenn es dunkel ist und man nicht so genau sieht, wie es ausschaut. Man ist so erledigt, dass man eh nichts anfassen oder sitzen möchte, nur noch ins Bett. Der penetrante Geruch nach Raumsprays dient dazu, den penetranten Geruch der Jahrzehnte der Ungepflegtheit zu übertünchen. Man will die Socken nicht ausziehen, um nicht mit dem Teppich in Kontakt zu kommen. Auf einen Sessel legt man ein Handtuch, bevor man sich setzt.

Wie auch immer, ich kam in Aberdeen an, einem schrecklich hässlichen Ort. Das Motel war ebenfalls abschreckend, der Typ am Empfang ist offensichtlich dafür gebacken worden, dem ganzen das i-Tüpfelchen zu verleihen, das Zimmer ist furchtbar. Das war das einzige, was ich unter 180$ bekommen habe 😖.

Also schreibe ich zur Ablenkung Blog und habe vorher versucht, meine Sachen in den Trolley zu bekommen. Aussichtslos, obwohl ich die Salatschüssel schon Julia geschenkt habe. Ich muss jetzt zusätzlich eine Tasche tragen. 🫤

Bin gespannt auf Seattle morgen und mal schauen, ob ich nach Vancouver Island komme, da soll es besonders schön sein.


Wenn ich jetzt noch eine Wahl hätte (habe ich nicht, weil ich die Schiffspassage nicht mehr stornieren kann), würde ich nach Europa reisen und dort noch etwas herumgondeln, z. B. nach Island. Dieses Land ist das viele Geld, das ich hier lassen muss, nicht wert für mein Empfinden. Das war jetzt spannend, Fiktion und Realität abzugleichen, reicht aber eigentlich schon. Es gibt hier wunderbare Natur, aber das langt nicht. Ich habe jeden Tag Sorge vor der nächsten Unterkunft. In Kanada habe ich geguckt, da gibt es Gegenden, wo es bei 400€ beginnt und es gibt einige Kilometer weit keine Alternative. Das ist zu stressig.

Aber🤷‍♀️nun muss ich das beste daraus machen.


1 Comment

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Guest
May 29, 2023
Rated 5 out of 5 stars.

Hallo Charlotte, naja, auf jeden Fall sammelst Du wertvolle Erfahrungen. Menschenskinder, wo Du schon überall wars. Einfach Klasse. und Dein Blog nimmt mich immer ein wenig mit. HG Birgit

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