Dienstag, 30. Mai 23
Morgens lag ich in Seattle noch eine Stunde im Bett und starrte aus dem Fenster, um mich an dem tollen Blick satt zu sehen.
Dann checkte ich aus und machte mich auf den Weg zu Hertz. Ein Drama. Ich habe 1h15min in einer Schlange in einem stinkenden Parkhaus gestanden, es waren nur vier Parteien vor mir. Es ist mir ein Rätsel. Man bucht online, bezahlt online, bekommt den Gutschein zur Abholung online. Eigentlich müsste man nur einen Führerschein vorlegen und zur Sicherheit evtl noch die Kreditkarte, Schlüssel übergeben, fertig.
Na egal, ich brauste mit einem Toyota Corolla davon, holte mein Gepäck und brauchte 2h, um den Dunstkreis von Seattle zu verlassen.
An der kanadischen Grenze kam der Kracher. Was ich in Kanada wolle! Was ich arbeite! Wie lange ich bleiben wolle! Wieso Kanada? Wo ich schlafe! Warum da? Woher ich wüsste, dass es da hübsch sei? Welche Fotos? Wen ich in Kanada kenne? Wann ich ausreise? Wohin? Woher ich käme? Und vorher?! Erzählen! ("TELL ME!!!"). Genauer! Welches Hotel in NY? Die Buchungsbestätigung zeigen! "Stay in your car!". "STAY IN YOUR CAR, MAM!!!" Wie ich die USA verlasse! Wo werde ich ankommen? Wo ich in den USA angekommen sei? Wann? Wann hätte ich meine Reise in Deutschland begonnen? Wann geht das Schiff? Wie lange ich insgesamt schon reise!
Bam bam bam!!!
Ich fühlte mich schuldig obwohl ich nicht wüsste, weshalb. Ich sagte ihm, dass das sehr unangenehm und restriktiv sei. Nö, das würde jedes Land so machen (äh, nein), sie wollen ja nicht jeden in ihr Land lassen.
Das war der Punkt, an dem ich ernsthaft in Erwägung zog, umzudrehen. So etwas bringt mich ja unbotmäßig auf die Palme.
Dann musste ich meinen letzten Apfel wegschmeißen, wie auch in den anderen Ländern. Ein paar Meter weiter war ich endlich im zweitgrößten Land der Welt. Knapp. Manchmal galoppiert mein Temperament schon mal vor, während ich noch versuche, mich zu zügeln.
Learning: in jedem Land meiner Reise musste ich ein Ticket raus nachweisen (kann auch Flex sein) und eine erste Unterkunft nennen können. Wenn man das vorab organisiert, ist es wesentlich stressärmer.
Und dann fuhr ich zum Supermarkt, um einen in jeglicher Hinsicht besseren, reineren Apfel und andere Dinge zu kaufen, und anschließend zum Tiny House. In der Elk View Road in Chilliwack. So einen Namen sollte man für ein Buch oder einen Film nutzen. Oder einen Blog.
Dort begrüßte mich Jason, der Gastgeber, und wir schwätzten eine ganze Weile. Er arbeitet mit Obdachlosen und erzählte, dass das auch in Kanada immer mehr zunimmt und ein deutlich sichtbares Problem in Städten ist. Die Mieten steigen unaufhörlich, das hat länger vor Covid begonnen.
Schließlich konnte ich endlich einen Salat machen, dazu ein regionales Steak. Bis das Essen auf dem Tisch war, hatte ich den halben Salat schon weggenascht. Genossen auf meiner Terrasse mit Blick aufs Tal und die Berge. So schön hier! Zum Dessert gebrannte Mandeln (Schmuggelware) und Ingwertee. Dieses Häuschen war mit einer tollen Küche ausgestattet und insgesamt sehr schön.
Und fürs Frühstück habe ich mir eine Samenmischung geholt, Cranberries und Obst.
Im Häuschen gibt es ein Cinderella-WC, das interessiert mich schon, seit ich bei der Recherche für die Reise mit Balu darauf gestoßen bin. Funktioniert sehr gut, ist aber nicht flüsterleise.
Leider konnte ich nicht länger bleiben, war schon vergeben.
Ich habe vier Nächte im Voraus gebucht bis Calgary. Jason meinte, Richtung Banff wird es eng. Und tatsächlich, da kosten Übernachtungen 200-500€, auch Hundehütten und Hostels sind absurd teuer, fast egal, wie schlecht die Bewertungen sind.
Mittwoch, 31. Mai
Mein Tagesziel war Kamloops, auf dem Trans Kanada-Highway.
Zunächst funktionierte die frisch installierte eSIM wieder nicht. In jedem Land außer in Hongkong, blöd. Somit hatte ich keine Navigation mehr und, da in Kanada Km/h angegeben sind und mein Auto einen Meilen-Tacho hat, auch keinen praktischen Tacho mehr in der App. Ich versuchte, eine physische SIM zu kaufen, klappte nicht an zwei Tanken. An der dritten hatte ich doppelt Glück. Ich kaufte eine Landkarte der Provinz British Columbia (BC) zur Sicherheit und im freien Wifi von Esso noch eine eSIM, die, wie auch in den Ländern zuvor, funktionierte.
Das hat mich 2,5h gekostet.
Durch Bauarbeiten auf der Strecke zog es sich weiter hin.
In Cache Creek wählte ich ein chinesisches Restaurant für einen Happen zu Mittag. Restaurants sind hier, ähnlich wie in den USA, anscheinend nicht so kuschelig oder gepflegt oder irgendwie nett gewünscht. Die Hot and Sour Soup war eine große Schüssel für C$13, das sind knapp 9€ heute. Angemessen. Die Suppe war ganz anders als ich sie, auch in Varianten, kenne, und schmackhaft.
Das Motel....na ja, halbwegs in Ordnung. Mit schönem Blick, aber der Highway ist laut.
Es war brütend heiß, 23 Grad nur, aber die Sonne brezelte enorm.
Ich sah schon einzelne Ausläufer der xy (hier ist ein Gebirgszug nach dem nächsten und dann kommen die Rocky) Mountains, die Landschaft ist enorm. Weit, hoch, tief in erstaunlichen Dimensionen. Die Redwoods würden hier wie ganz normale Bäume aussehen.
Der Verkehr ist ganz anders. Viel aggressiver (Lichthupe wie bei uns zum Drängeln), fast keiner hält sich an Tempolimits.
Nachdem ich das Motel in Augenschein genommen hatte fuhr ich ins Zentrum, spazierte das ab und es war um einiges netter, als amerikanische Kleinstädte, die ich gesehen habe. Im Kino lief heute leider nichts, da hätte ich Lust drauf gehabt.
Wieder in einen Supermarkt, da gab es viel Obst und Gemüse und selbst das fertige Zeug sah in Ordnung aus. Für Obst für einen ganzen Tag und etwas Käse und Kleinkram habe ich 12€ bezahlt. Wow, drüben wären das mindestens 20€ gewesen.
Es scheint ziemliche Animositäten zwischen den Bewohnern beider Länder zu geben, jedenfalls kam in den USA mehrmals Kritik im Gespräch auf (Tenor: die sind gar nicht besser als wir, ihr Gesundheitssystem ist schlechter als unseres) und Jason war ebenfalls kritisch (Trump und die anderen Clowns, überhaupt die Politik und dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass dieser Widerling erneut gewählt wird).
Nun sitze ich am Fluss vor dem Motel in der Abendsonne, denke an Euch und bin gespannt auf morgen 😊 Wenn ich auf "veröffentlichen" gehe, ist es bei mir 19:00 und bei Euch 4:00. Also guten Morgen ☀️!
Hi Charlotte, die Landschaftsfotos sind großartig!!! Und Dein Reisebericht wie immer super nachvollziehbar und amüsant zu lesen. Habe einen GREAT DAY! HG Birgit