Zu meinem Geburtstag bekam ich einen Gutschein für einen Besuch in einem Sterne-Restaurant. Perfekt 😁 Ich habe eine kleine Liste von Restaurants parat, die entdeckt werden wollen, dazu gehörte auch das Hallmann&Klee in der Böhmischen Straße in Neukölln.
Es hat erst kürzlich seinen ersten Stern erhalten, die Gerechtfertigkeit der Vergabe wollten mein Bruder Thomas, meine Schwägerin Ulrike und ich nachprüfen.
Das Ambiente ist sehr angenehm und ansprechend. Hell, viele saubere Fenster, Blumen, Holzboden, angenehmes Licht, halboffene Küche, kein Schischi aber auch nicht zu cool.
Es gibt ein Menü, wahlweise vegetarisch.
Uli und ich waren zuerst da und bestellten die vom Kellner empfohlene Lena, eine Schaumwein-Cuvée. Für mich schmeckte das wie Cidre, nicht so mein Fall.
Als Tom dazu kam orderten wir sechs Austern. Schön fleischig, nicht sehr aromatisch, die geröstete frische Zitrone dazu war eine feine Idee, nicht nur optisch.
Zitrusaromen spielten übrigens in den meisten Gerichten eine Rolle, mal mehr, mal weniger dezent. Und Yuzu scheint ja momentan total hip zu sein.

Als Amuse-bouches kamen zunächst kleine Lángos (ein gesottenes Brotgebäck aus der ungarischen Küche) mit Sauerrahm und Schnittlauch. Lecker. Knusprig leicht und zart salzig außen, fluffig weich innen, frisch und cremig das Topping.

Dann folgte eine sehr gute Hokkaido-Creme auf Yuzu (wenn ich das richtig erinnere 🤔) mit geraspelten Haselnüssen, das war ein kleiner Gaumenschmeichler und gefiel uns allen sehr, besonders Uli war angetan davon.
Schließlich kamen noch ein Sauerteigbrot (das goutierte insbesondere mein Bruder) und geschäumte Butter auf den Tisch.
Thomas und ich wollten gern die alkoholfreie Getränkebegleitung ausprobieren und das erwies sich als gute Idee. Nachdem er die vier offenen Weißweine probiert hatte, die ihm alle nicht zusagten, war die Weinbegleitung keine Option mehr.
Hier war der Service nicht so optimal. Eine klassische „der Gast (beim Arzt wahlweise der Patient) ist schuld“-Situation.
Schmeckte ihm halt alles nicht, also war nicht der richtige Wein dabei. Da stimmt die Auswahl nicht für die Person, nicht nicht die Person.
Als erstes bekamen wir eine Limonade aus Apfel, Sellerie, Ginger Ale und Dillöl. Sehr, sehr süffig. Mein Liebling von den Getränken.
Der erste Gang des Menüs war Wagyu, geschnitten wie Carpaccio, angerichtet wie Tartar, auf Sonnenblumenkerncreme und garniert mit Topinamburchips. Wirklich gut, sehr frisch im Geschmack, die Creme machte die Kombination so besonders.

Das nächste Getränk war Gnista mit Tonic Water. Ein skandinavischer pflanzlicher Bitter, interessant.
Der nächste Gang: gebratene Jakobsmuschel mit Hollandaise (etwas zu viel), Zitronenfilets (die etwas zu prominent waren) und einem Leinsaatenöl. Gut. Mit Jakobsmuscheln kriegt man mich aber auch leicht.
Das nun kredenzte Glas überraschte mit den Aromen von Quitte und geräuchertem Heu. Klingt schräg, schmeckte schräg; schmeckte aber auch sehr gut.
Das nächste Comfort Food war ein seidig weiches, buttriges Kartoffelpüree mit Molkenschaum und Liebstöckelöl. Mjam.
Als Zwischengang kam ein köstliches Granité aus Hollunderblütensirup und Earl Grey.

Das folgende Hauptgericht war nicht gut. Taube Rhabarber Kerbel stand in der Karte. Ich habe noch nie Taube gegessen, war mir immer vage suspekt. Habe ich jetzt probiert, brauche ich nicht noch mal, ist mir nun begründet suspekt.
Das Fleisch kam sehr rosa auf den Tisch, das wollten weder Uli noch ich und baten darum, es noch etwas zu braten. Erneut eine Situation, in der wir subtil vermittelt bekamen, dass wir vielleicht etwas schwierig sind.
Die Sauce war versalzen, mir schmeckte eigentlich keine Komponente. Weder das, was als Confit bezeichnet worden war und für mich nach Leber schmeckte, noch das fruchtigere Häuflein. Uli und ich ließen die Teller zurück gehen. Tom war auch nicht begeistert. Der Umgang mit der Kritik (unausgesprochen) war wieder sparsam.
Das Getränk dazu war Weichselkirschensaft mit geräuchertem chinesischen Tee. Das war zu viel, zu intensiv, schmeckte uns auch nicht und blieb stehen.
Optional standen wir nun vor der Wahl eines Zwischengangs, Käse mit Apfel. Wir entschieden uns für eine Portion in der Annahme, das sei so etwas wie eine kleine Käseplatte. Was kam war zwar eine wohlschmeckende Angelegenheit, wir wollten ja nur mal neugierig kosten, aber es war eine winzige Portion. Na ja, es war ausreichend.

Unser nächstes Getränk war irgendwas mit Rooibos mit einem Schaum von Rooibos. Sehr ungewöhnlich erneut und es schmeckte gut.
Und dann folgte mein Highlight: ein Dessert aus Sauerampfer als Eis, einem köstlichen Schaum, einem Öl, irgendwo fand sich Wacholder. Ich weiß es nicht zu benennen, aber es war überraschend und hervorragend.
Schließlich kam ein kalter Tee aus geröstetem Roggen, der erstaunlicherweise zart nach Kakao schmeckte. Erinnerte sehr an Barley Tea, den in Korea beliebten Gerstentee.
Und als zweites Dessert wurde ein Mürbegebäckchen serviert mit Banane und süßer Creme und Sesam. Sehr lecker.
Und danach kamen noch süße Grüße aus der Küche, Mini-Zitronenmadeleines und ein Schaum (oder Eiweiß?) auf Johannisbeere, super. Ich bekam dazu einen kräftig-würzigen Andraschko Cappuccino.
Insgesamt war das ein größtenteils schöner und lohnenswerter Besuch. Vier Stunden vergingen wie im Flug.
Die Getränkebegleitung war immer wieder überraschend und ungewöhnlich, eigentlich war jedes Glas wie ein zusätzlicher, flüssiger Gang. Das war eine neue Erfahrung.
Der Service war oft gut (genau genommen beim Servieren und der Erklärung der Gerichte), oft aber auch nicht sehr kundenorientiert und etwas zu ungnädig.
Ich denke ja, das mag eigen sein, dass das Restaurant in erster Linie dem Gast gefallen sollte, nicht umgekehrt.
Dass der Gast sich nicht wie ein Honk benimmt setze ich dabei mal als gegeben voraus.
Dennoch: ein Besuch lohnt sich, fanden wir alle.
Und ich brauche eine Lösung für bessere Fotos 🤔
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