Am Freitag (10.2.23) um 16:30 habe ich Donata eingesammelt und dann sind wir die 122 Km nach Fürstenhagen in zwei Stunden gefahren.
Warum wir an einem kalten, dunklen, regnerischen Abend ins winterliche Nichts der Feldberger Seenlandschaft fuhren? Weil da das Hotel Alte Schule ist mit dem Restaurant Klassenzimmer, das unter der Führung des Österreichers Daniel Schmidthaler und seiner Frau Nicole einen Michelin-Stern bekommen hat. Da wollte ich seit Jahren schon mal essen. Und falls ich das Auto nächste Woche verkaufen sollte, wäre das die letzte Gelegenheit für einen kleinen Ausflug gewesen.
Der Mann kocht nach dem Konzept: was hat die direkte Umgebung zu bieten? Das wird verarbeitet. Deshalb wird keine feste Speisekarte ausgegeben, sondern (ich denke, das funktioniert im Sommer überzeugender) ein Überraschungsmenü angeboten.
Wir hatten das 7-Gänge-Menü als Arrangement mit der Übernachtung gebucht, und nachdem wir unsere Zahnbürste im eiskalten Zimmer abgeworfen hatten, nahmen wir im schönen Speiseraum Platz.
Außer uns war nur noch eine Vierergruppe zu Gast.
Als Aperitif schenkte man uns einen sehr guten Crémant ein, der den ersten Gruß aus der Küche begleitete.


Wir bekamen ein Brett mit je einem kleinen Kartoffel- und Sauerteigbrot im Miniaturformat, dazu Wagyu, das wie Roastbeef zubereitet war (köstlich), österreichischen Erdäpfelkas und Butter.
Als Amuse Gueule dann kamen drei Kleinigkeiten:
Unser Favorit des Abends war ein zarter, knuspriger Kartoffelteig (Pombär genannt) mit Fenchel und Knoblauch. Das war sensationell. Unglaublich, was für Aromen auf der Zunge explodiert sind. Dann gab es ein winziges Stück Steckrübe mit Paprika und eine mini Möhre mit Joghurt, beides sehr lecker.
Etwas, was ich an Restaurants dieser Kategorie mag, ist, dass man zu jedem Gang eine einstudierte Erklärung erhält, was das ist und welchen Wein man dazu kredenzt bekommt. Das ist, als bekäme man die Kurzfassung eines Kapitels aus einem Märchenbuch, das man mit den vorbereitenden Infos dann viel intensiver und bewusster wahrnimmt.
Es folgte der erste Gang mit dem ersten Wein (fatal... zu jedem Gang ein anderer, hervorragend ausgesuchter und ungewöhnlicher Tropfen).
Auf einer Tranche Saitling war ein gebratenes Brotstück drapiert, arrangiert mit Shiitakepilzen, etwas Käse und einer höchst aromatischen Sauce mit einem Hauch Gurke, deren Aroma sich auch im Wein wiederfand. Mein zweitliebstes Gericht. So komplexe Aromen! Umami pur. Lecker.

An dieser Stelle baten wir um ein weiteres kleines Kartoffelbrot. Das war so gut, dass es ratzfatz weg war. Der nächste Gang waren zwei Wochen gereifter Zander und Saibling mit Grünkohl und Sellerie. Das war schon sehr gut, aber hat mich trotzdem nicht zu einer Freundin des Grünkohls gemacht. Wirklich gut auch hier wieder die Sauce und ausnahmsweise mochte ich den Kaviar mal sehr.

Es folgten kleine Rettich-Rouladen, die mit Kürbis, Kalbskopf und einem Waldbodenöl (ja, wirklich, so steht es auf der Karte) zubereitet waren, als Topping einige sehr milde Senfkörner. Tolles Aroma, nur der Rettich war mir etwas zu fest/zäh in der Kombination. Die Sauce hätte ich gern vom Teller geleckt. Keine Sorge, im Ernstfall kann ich mich benehmen.

Nun folgte ein Stück auf der Haut gebratener Fisch (ich weiß nicht mehr, was für einer) mit eingelegter Zwiebel (wie Pickles), Wacholder und einem erfreulich deliziösen Blatt Chicorée.

Dann, und auch dieser Gang macht mich zu keiner Freundin der Schwarzwurzel, wurde uns eben dieses Gewächs serviert, mit Haselnüssen, einer fantastischen Sauce und, extra serviert in einem gekühlten Schüsselchen, einem geeisten Traubengelee mit geschabtem Buttermilcheis, das über die Schwarzwurzel gegeben wurde. Köstlich. Mit Spargel hätte ich es vermutlich noch viel toller gefunden, auch wenn das natürlich ganz andere Aromen wären.
Das Hauptgericht war gar nicht meins. Reh (butterzart) in einer strengen Räucheraalsauce (irks!!!!!!), mit Himbeerpürree und -pulver und Schwarzkohl (ähnlich wie Wirsing). Das war auf eine für mich so unangenehme Art intensiv, dass ich es nicht gut fand, das Reh nicht mal schmeckte und ausnahmsweise den Teller nicht mit dem Löffel abgekratzt habe. Den korrespondierenden Wein probierte ich nur (ebenso wie den des vorherigen Ganges; es war mir insgesamt zu viel Alkohol).

Zur Versöhnung kam ein köstliches Holunder-Eis mit Schaum von Sonnenblumenkernen (ein Kracher!!!!), mit Estragon (hab ich nicht rausgeschmeckt) und Radicchio (dessen größere Strünke ich wegsortiert habe; ein Dessert darf ein Dessert sein, finde ich, da muss nicht unbedingt ambitioniert ein Bitteraroma rein). Zu den Desserts gab es den letzten Alkohol, einen fabelhaften Vin Santo, der intensiv konzentriert nach Nüssen, Dattel und Rosine schmeckte.

Und dann folgte noch ein finaler Gruß aus der Küche, ein Nußschmarrn mit Mandarineneis. Sehr lecker, aber nicht sooo spektakulär.

Hier noch ein paar Eindrücke und die Speisenfolge, die wir nach dem Espresso bekamen:
Das hat großen Spaß gemacht. War sauteuer. Na ja, andere Leute kaufen sich Fernseher und so Zeug. Hat sich auf jeden Fall gelohnt, weil es eine erinnernswerte Erfahrung war.
Wer sich fragt, was die kleinen Portionen sollen: ich denke, wenn ich von irgendeinem dieser Gänge eine sättigende Portion bekommen hätte, hätte es nicht mehr geschmeckt, das wäre ein Overkill. Und es ist ja auch viel schöner, sich an ganz vielen spannenden Kleinigkeiten satt zu essen.
Donata fiel direkt ins Bett, ich machte noch einen kleinen Spaziergang. Das Frühstück sah schön aus, war aber nicht bemerkenswert (abgesehen vom tollen Brot).

Dann gondelten wir gemütlich nach Hause, sahen nur in Himmelpfort im Rahmen eines Spaziergangs nach dem Rechten und genossen noch einen Kaffee.
Klingt sehr schön 😍