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🇨🇭🇮🇹 Bernina & Glacier Express, Dezember 2024

Autorenbild: Charlotte TinaCharlotte Tina

Aktualisiert: 12. Dez. 2024

Diese beiden Zugfahrten, die mit zu den schönsten Europas gezählt werden und gerade im Winter besonders reizvoll sein sollen, geisterten schon einige Zeit im für Reisephantasien reservierten Teil meines Kopfes herum.


Bei der Recherche lief mir Interrail über den Weg. Ich dachte immer, das sei nur für Menschen unter 25, aber nein! Und der Black Friday bescherte mir 25% Rabatt auf einen 7 Tage-Pass, mit dem ich die Reisekosten somit um ein gutes Drittel reduzieren konnte.

Die Sitzplatzreservierungen für die beiden Panoramazüge sind allerdings obligatorisch und zusätzlich zu buchen.


Mittwoch, 4. Dezember

Das Abenteuer begann mit dem Nightjet, einem Nachtzug der ÖBB von Berlin nach Zürich.

Nachtzug-das ist doch mit einem Nimbus von Romantik und samtiger, glänzend polierter, altmodischer Weltläufigkeit verbunden, Schrankkoffern, Luxus und eleganten Speisewagen mit livrierten Kellnern und kleinen Tischlampen mit warmem Lichtkegel auf weißen Tischdecken? Musste ich auch unbedingt mal ausprobieren!


Wie prosaisch dann doch die Realität sein kann 🙄


Um 21:00 ging es los, ich hatte mich in ein zwei Damen-Abteil eingebucht, die noch akzeptabelste noch bezahlbare Variante. Es gab zum Ticket sogar ein frugales Frühstück, im Abteil warteten Wasser, in Plastik abgepackte Snacks und Einmal-Pantoffeln sowie ein billiger Wasch-Lappen.


Zu dritt stelle ich es mir unzumutbar vor, es ist sehr eng. Sehr. Ich möchte so weit gehen und den beliebten Vergleich mit der Sardinendose bemühen.

Nicht ganz die Mondänität (ja, das ist das Substantiv, ich war ebenfalls erstaunt und entzückt), die ich mir erhofft hatte.

Der Schaffner hätte auch als er irgendwo auftreten können, ein schon lachhaft grundentspannter Typ.


Donnerstag, 5. Dezember

Um 10:00 fuhren wir in Zürich ein.

Ich war noch nie dort, also kam der Trolley in ein Schließfach (6h für knapp 7€) und ich erkundete zu Fuß die Innenstadt, die Ufer des die Stadt teilenden Flusses Limmat und einen Zipfel des Zürichsees.

Es ist sehr hübsch, aber die Atmosphäre ist kalt. Die Menschen sind ebenso missmutig und unzufrieden wie in Berlin, das kann ich zu Hause billiger haben.


Ich dachte, in Kopenhagen und Reykjavik hätte ich erlebt, wie teuer geht, aber das hier war noch mal eine Schaufel drauf.

Positiv aufgefallen ist mir, dass es hier noch eine Menge Handwerk zu geben scheint. Gilden und Zünfte spielten und spielen zudem anscheinend eine große Rolle.


Gefiel mir dennoch insgesamt alles nicht so, also stieg ich eine Stunde früher als geplant in den Zug, es ging weiter nach Chur, Ausgangspunkt des Bernina Express am Folgetag. Highlight der Zugfahrt, neben dem netten Ausblick, war das Pilzrisotto im Automaten.

Ebenfalls nett das Städtchen, in drei Stunden ist jede Gasse der Altstadt abgelaufen. Es war ordentlich frisch. Obwohl Chur mit 592m nur 190m höher liegt als Zürich, war der Unterschied bemerkenswert.


Stutze nur ich bei dem Ladenschild der Buchhandlung?

Die Burger für um die 30€ gab es in einem Bistro, für mich wurde es allerdings ein Gericht beim Thai.

Und bei der Zuckerbäckerei musste ich einfach gucken und fünf ganz kleine Kunstwerke erstehen und dem Zuckerbäcker ein wenig über die Schulter schauen im hinteren Teil des entzückenden kleinen Ladens.

Ich logierte im Zunfthaus zur Rebleuten; sauber, charmant und angenehm.


Nikolaus

Der Bernina Express schlängelt sich auf 2.253m hoch, die Strecke gehört zum UNESCO Welterbe.

Nach einer Stunde, bei Filisur auf 1.000m, begann es, entsprechend meinem geplanten Programm (😎), zu schneien und der steile Aufstieg wurde in Angriff genommen.

Hübsch, aber jetzt nicht so, dass man aus den Aaaaahs und Ooooohs nicht mehr heraus kam.

Zudem war es stressig, weil mehr als die Hälfte der Leute über Stunden ständig aufsprangen, Plätze wechselten, sich über einen beugten, um mit diversen Vorrichtungen wie Selfi Sticks und verschiedenen, an der Telefonrückseite aufgebrachten Hilfsmitteln wie Saugnapfmatten (ehrlich-um das Teil ohne Reflektion am Fenster klebend fotografieren zu lassen) ununterbrochen Fotos und Videos zu machen, statt mal im Moment zu sein und mir nicht ihre Mantelzipfel ins Gesicht zu hängen.

Da Nikolaus war, bekamen alle Fahrgäste netterweise einen kleinen Blechzug, gefüllt mit Schoki-Herzen von Lindt, und einen kühlen Kräutertee.


Ich hatte eine sehr nette Unterhaltung mit zwei jungen Männern aus Duisburg. Der eine war nach Australien ausgewandert, ohne es jemals zuvor besucht zu haben, kam aber nach zwei Jahren zurück. Nun denkt er über Kanada nach, Westküste. Da war er auch noch nie. Der andere ist in die Schweiz ausgewandert (sein Verdienst ist etwa doppelt so hoch wie in Deutschland) und überlegt nun ebenfalls, irgendwo hin zu ziehen, wo er noch nie war. Faszinierend.

Die Abfahrt hat durchschnittlich 7% Gefälle-was mögen das für spezielle Bremsen sein?


In Tirano legte ich meinen Trolley im gebuchten Apartment ab und spazierte dann durch den Ort. Nett, mal wieder in Italien zu sein!

Im Supermarkt erstand ich ein Stück Käse und eine kleine Salami für daheim, sowie einige Mitbringsel und Tramezzini mit Krabben für sofort🤤 Mein Frühstück, weil ich morgens verschlafen und fast den Zug verpasst hatte.

Für den Abend reservierte ich in einem Restaurant, das die Vermieterin mir empfahl.

Die Sonne strahlte, überall waren Cafés, ringsum hohe Berge, ein Markt, kleine Geschäft, nettes Lebensgefühl. Wäre es möglich gewesen, hätte ich einen Sack frischer Artischocken mitgenommen, die es an mehreren Ständen günstig gab.

Ich hatte vergessen, dass es in Italien in der Regel kein Dressing gibt und so konnte ich mir im Restaurant nur selber Essig und Öl über meine sehr, sehr unfrohen Salatblätter träufeln.

Die Steinpilzlasagne war gut, das Interieur recht schön. Ansonsten die übliche Problematik der Alleinreisenden, die es einem unnötig vergällt; Katzentisch am Eingang zum Büro/Lager, keiner nahm mir den Mantel ab (allen nachfolgenden Gästen schon), kein kleines Wasser auf der Karte und die Weigerung, stattdessen ein Glas Leitungswasser zu bringen. So kam es denn auch zu keinem Dessert oder etwas anderem mehr.


7. Dezember

Der Plan für den Tag war, logistisch bedingt, einfach: Zug nach St. Moritz, kurz anschauen, ins Hotel und entspannen.

Die Blicke (das war die gleiche Strecke wie gestern, nur die reguläre Fahrt, wesentlich günstiger und keinen Hauch unattraktiver als mit dem Panoramazug) waren heute aufgrund der Wolkenformationen und der Lichtverhältnisse teils dramatisch und etwas unwirklich.


Das Örtchen Sankt Moritz ist erstaunlich, noch erstaunlicher, als ich angenommen hatte. Hier ist wirklich viel Geld im Urlaub. Eigentlich lebt das hier nur von den sehr teuren Luxusgeschäften, den verrückt teuren Restaurants und Hotels. Es ist gar nicht mal hübsch. Ich verstehe die Anziehungskraft nicht 🤔


Ich nahm den Bus nach Champfér, etwas außerhalb, ging spazieren und bezog dann mein einfaches Zimmer im Hotel.

Ebenfalls ein Black Friday-Angebot inklusive Halbpension und Wellnessbereichsnutzung.

Das war ein eher schlichter Rahmen, aber nett. Verliebt habe ich mich in die Bank mit Kuhfellbezug im Foyer. Das wäre was für meine Küche! Schön kitschig.


Der Pool war ungewöhnlich groß für ein Hotel, ich hatte ihn für mich, dann hüpfte ich noch kurz in den Whirlpool und die drei Saunen zum Ausprobieren.

Hier mal eine Speisekarte eines Restaurants in Champfér:

Das Angebot für das inkludierte Abendessen waren vier Gänge. Mein Menü war solide, wenngleich sowohl die Paprikasuppe als auch der Romanesco zum Ossobuco innig mit Zitronengras verbandelt waren und ein wenig das Bild verwerteter Reste eines thailändisch inspirierten Essens anklingen ließen. Aber das wird ja keine Restaurantbesprechung; also, alles okay soweit.



Am Sonntag

rutschte ich früh den Hang hinauf (und immer wieder ein Stück zurück) zum Bus, der Glacier Express fuhr um 8:51 ab nach Zermatt.

Über Nacht hatte es geschneit und war deutlich kälter geworden, die Straßen unter einer Schneedecke spiegelglatt.

Normalerweise liegt der Schnee um diese Zeit wohl mindestens einen Meter hoch.


Ich hatte ein Mittagessen dazu gebucht mit zwei Gängen, als Suppe kam eine mit Maronen, also Kastanien.

Da mir nicht so wohl war, tauschte ich das Hauptgericht aus gegen ein kleines Dessert, eine Ananas Charlotte (das war es nicht wirklich, aber angelehnt).

Die Scheiben spiegelten leider stark, dass das auf einigen Bildern zu sehen ist, war nicht zu vermeiden. Eine Saugnapfmatte hätte auch nicht geholfen.

Insgesamt war das recht schön, insbesondere die Farbtöne des Wassers und das ungewöhnliche Licht, aber mit über 8h deutlich zu lang.

Die Bahn klettert bis auf 2.200m. Der steilste Anstieg sind 125m auf 1Km, da kommen Zahnräder zum Einsatz.

Zermatt liegt übrigens am Fuß des Matterhorns.


In Zermatt bot sich das gleiche Bild wie in St. Moritz: Bucherer, Moncler, Cartier usw, hier kam noch Après-Ski dazu.

Nicht meine Welt, aber mal interessant zu sehen. Ich spazierte den Ort wieder ab und Abendessen besorgte ich mir im Supermarkt-diese Restaurantpreise will ich nicht bezahlen.


Zermatt ist autofrei. Erlaubt sind Taxis, Kutschen und Räder.

Die Mieze im Schaufenster war echt.

Ein Franken sind heute 1,08€. 14,50CHF für einen Döner sind also 15,62€.

Mein Abendessen hat 15,40€ gekostet. Ein kleiner abgepackter Salat, 0,75l Wasser, eine Tüte der günstigsten Trockenpflaumen.


Montag, 9. Dezember

Am Morgen meiner Heimreise sah es aus wie im Wintermärchen, eine dicke Schneedecke lag über allem und erinnerte mich daran, dass ich furchtbar gerne mal wieder Langlauf machen würde. Wäre dafür jemand zu begeistern? Gerne melden!

Zusammenfassend betrachtet waren die Fahrten schön, aber nichts, was mich vom Hocker gerissen hat. Und man muss sicher nicht die teuren Panoramazüge nehmen, die regulären Bahnen auf der Strecke bieten sogar das entspanntere Erlebnis.


Nachtrag: die Schweiz gehört nicht zum EU Roaming-Gebiet, weshalb ich mir mal wieder eine eSIM von Airalo gekauft hatte. Trotzdem bekam ich für die wenigen Tage eine Rechnung über fast 40€. Also Vorsicht bei Nutzung des Smartphones dort!

(Ich weiß nicht, wo ich einen Fehler gemacht habe).

 
 
 

2 Comments

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Guest
Dec 09, 2024
Rated 5 out of 5 stars.

Hi Tina, wie immer schö und interessant, Deinen Blog zu lesen. Hast mich ein wenig mitgenommen auf Dein kleines Abenteuer. Vielen Dank. HG Birgit

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Guest
Dec 09, 2024
Rated 5 out of 5 stars.

Schöne Bilder zu einem gelungenen Reisebericht.

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